Die Situation von Pflegekräften

„PFLEGE 4 US“ ist ein Projekt zur Unterstützung aller Arbeitskräfte in der deutschen PflegeGerade in der heutigen Zeit merken wir alle, wie essenziell die Arbeit von Pflegekräften ist. Dennoch hören und lesen wir immer wieder, dass es viele Missstände gibt, mit welchen Pfleger und Pflegerinnen in Deutschland zu kämpfen haben.

Wie kommt es dazu, dass Pflegekräfte in Deutschland sich immer mehr selbst nach Pflege sehnen? Was müssen wir für Konsequenzen aus der aktuellen Lage in der deutschen Pflegebranche ziehen und wie können wir gegenwirken, um die Situation nachhaltig zu verbessern?

Um das herauszufinden, werfen wir einen Blick auf die deutsche Bevölkerungsentwicklung sowie das Arbeitspensum und die Gehaltslage von Pflegenden in Deutschland.

Der Demographische Wandel und seine Folgen für den Pflegesektor

Grundsätzlich zeichnet sich der demographische Wandel dadurch aus, dass die Bevölkerung ein höheres Lebensalter erreicht, während weniger Kinder geboren werden. Zählten 1970 nur etwa 1,5 Millionen Menschen in die Bevölkerungsgruppe der über 80-jährigen, so sind es im Jahr 2020 schon 5,9 Millionen Menschen. Grund hierfür ist vor allem der Forschungsfortschritt in der Medizin. (Wie sich die Bevölkerungsverteilung in den nächsten Jahren entwickeln soll, können Sie der Bevölkerungspyramide des Statistischen Bundesamtes entnehmen.)

Trotz der zunehmenden Qualität der medizinischen Versorgung werden Menschen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ pflegebedürftiger. „Ein Grund (dafür) sind die verkürzten Liegezeiten in den Akutkliniken, weshalb Patient*innen die Rehabilitation deutlich früher und oft mit mehr Pflegebedarf beginnen“, so eine von Ver.di in Auftrag gegebene Studie zur Situation in Rehakliniken. Vielen Kliniken fehlen jedoch die Kapazitäten, um Patienten lange stationär zu behandeln.

Der Demographische Wandel wirkt sich nicht nur auf die Patienten der Pflegekräfte aus, denn auch das Pflegepersonal selbst wird älter. Laut des Statistischen Bundesamtes sind 12,3 Prozent des Gesundheitspersonals in Deutschland über 60 Jahre alt. Mit 40 Prozent hat beinahe die Hälfte des gesamten Gesundheitspersonals das 50. Lebensjahr bereits überschritten. Demnach treten fast die Hälfte aller aktiven Pflegekräfte binnen der nächsten zwei Jahrzehnte in die Rente ein.

Während immer mehr erfahrene Pflegekräfte in den Ruhestand gehen, werden zeitgleich auch weniger neue, junge Pflegekräfte ausgebildet. Dies liegt laut Gerd Dielmann, dem Sachverständigen bei der Bundestagsanhörung zum Pflegeberufsgesetz im Juni 2016, daran, dass schon bei der Bewerberwahl Fehler gemacht werden. Nach seiner Aussage reichen durchschnittliche Noten „(…) bereits, um ungeachtet anderer Persönlichkeitsmerkmale oder Lebenserfahrungen, die für einen erfolgreichen Abschluss wichtig sein können, gar nicht mehr für die Ausbildung in Betracht gezogen zu werden.“

Es wird also weniger auf die charakterliche Qualifikation und stattdessen auf die schulische Qualifikation geachtet. Eine Folge davon ist, dass viele charakterlich geeignete Auszubildende gar nicht erst die Chance bekommen, sich als Pflegekraft zu beweisen und umgekehrt Auszubildende abbrechen, weil sie die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen nicht ertragen. Es gibt keine repräsentativen Daten für die ganze Bundesrepublik, doch lässt sich anhand des Bundeslandes mit den meisten Ausbildungsplätzen, Nordrhein-Westfalen, ein gutes Bild für ganz Deutschland erahnen. In den Jahren zwischen 2005 und 2012 schlossen nur 70,2% aller Auszubildenden die Ausbildungen auch erfolgreich ab, so der Landesbericht Nordrhein-Westfalens aus 2013. Glaubt man den Prognosen des Instituts der deutschen Wirtschaft, könnten im Jahr 2035 rund 307.000 Pflegekräfte fehlen.

Dieser Mangel an Pflegekräften wirkt sich bereits merklich auf die Arbeitsbedingungen für Pfleger und Pflegerinnen aus.

Der Arbeitsaufwand des deutschen Pflegepersonals

Treten mehr Fachkräfte in den Ruhestand, während weniger Auszubildende nachrücken, steigt der Arbeitsaufwand für die übrigen Pflegekräfte. Laut einer nicht repräsentativen Umfrage von ARD und Zeit, an welcher knapp 3.000 Pflegekräfte teilnahmen,

  • konnten 86 Prozent ihre Patienten nicht adäquat versorgen,
  • konnten 85 Prozent ihre Pausenzeiten nicht einhalten,
  • konnten 80 Prozent die Hygienerichtlinien nicht einhalten und
  • haben 75 Prozent bereits eine Überlastungsanzeige geschrieben.

Dies spiegelt sich auch im DGB Index „Gute Arbeit“ des Jahres 2018 wider, welcher die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in Pflegeberufen untersucht und zusammengefasst hat. Demnach geben 46 Prozent aller Pflegekräfte an, dass die Qualität der Pflege, welche sie ihren Patienten entgegenbringen, unter ihrem Arbeitspensum leidet. 76 Prozent aller Arbeitnehmer in Pflegeberufen geben laut Index ebenso an, dass sie sich oft oder sehr oft gehetzt fühlen.

Zwei Drittel aller Pflegekräfte arbeiten im Schichtdienst. 73 Prozent aller Pflegekräfte geben an, häufig bis sehr häufig an Wochenenden arbeiten zu müssen und 41 Prozent müssen für ihren Arbeitgeber ständig erreichbar sein, um einspringen zu können. Daraus ergibt sich, dass vielen Pflegekräften nicht die Möglichkeit gegeben wird sich ausreichend zu erholen.

Eine Statistik der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2019 zeigt auch, dass Deutschland im internationalen Vergleich deutlich mehr Patienten pro Pfleger versorgt. Während in den USA durchschnittlich 5,3 Patienten von einer Pflegekraft betreut wurden, waren es in Deutschland 13 Patienten pro Pfleger.

Zu diesem Übel addiert sich, dass der steigende Arbeitsaufwand nicht angemessen vergütet wird.

Die Gehaltslage des deutschen Pflegepersonals

Aus der internationalen Vergleichsstudie „Health at a Glance“ der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) von 2017 geht hervor, dass Pflegefachkräfte in Deutschland mit allen Schichtzulagen und Boni im Mittel 53.600 Dollar (etwa 43.590 €) brutto pro Jahr verdienen. Damit liegen sie in diesem Vergleich von 31 Staaten nur im Mittelfeld. In Luxemburg verdienen Pflegefachkräfte im Schnitt 108.900 Dollar (etwa 88.560 €) brutto im Jahr, also mehr als das Doppelte einer deutschen Pflegekraft.

Gravierend wird es, wenn man sich das Ergebnis der Studie aus dem Jahr 2019 anschaut. Im Vergleich zu den Werten aus 2017 verdienen Pflegefachkräfte laut der Studie von 2019 in Deutschland etwa 100 Dollar (etwa 81 €) weniger als zuvor, aber dafür in Luxemburg 14.700 Dollar (11.956 €) mehr.

Einer Entgeltanalyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist zu entnehmen, dass die Gehälter von Fachkräften und Helfern in der Altenpflege zwischen 2012 und 2018 zwar um etwas über 21 Prozent stiegen. Dennoch verdienen sie noch immer 12,9 Prozent weniger als der Median aller Beschäftigten. Vor dem Hintergrund der Effekte des demographischen Wandels ist dies noch immer ein zu behebender Missstand. Verglichen mit Helfern in der Krankenpflege verdienen Altenpflegehelfer 555 Euro weniger pro Monat und verglichen mit allen Beschäftigten 38 Prozent weniger als das Medianentgelt von 3.304 Euro. Einzig Krankenpflegekräfte verdienen mit 3.415 Euro etwas mehr.

Hinzu kommt, dass die Gehälter des Pflegepersonals in Deutschland zwar tarifvertraglich gesichert und geregelt, jedoch viele Kliniken nicht an Tarifverträge gebunden sind. Aus diesem Grund wird das dort beschäftigte Pflegepersonal unterdurchschnittlich entlohnt. Aus dem DGB Index „Gute Arbeit“ des Jahres 2018 geht hervor, dass 73 Prozent aller Arbeitskräfte in Pflegeberufen ihr Gehalt als nicht leistungsgerecht empfinden.

Das Fazit zur Situation der Pflegeberufe in Deutschland

Zusammengefasst steigt also das Alter der Patienten, was eine höhere Anzahl Pflegebedürftiger bedeutet. Zeitgleich werden Pflegekräfte ebenfalls immer älter und werden vom stetig steigenden Arbeitspensum erschöpft, weshalb Sie früher in Rente gehen und eine Versorgungslücke hinterlassen. Beinahe ein Drittel der Auszubildenden brechen die Ausbildung in der Pflege ab und größtenteils ergreifen Jugendliche von vornerein andere Jobs. Hierdurch kommen keine neuen Fachkräfte nach und die Versorgungslücke wird vergrößert. Auch der finanzielle Aspekt des Pflegeberufs zeigt einen Negativtrend. Das Pflegepersonal in Deutschland arbeitet schlussendlich zu viel, verdient aber zu wenig.

Time 4 Change sieht diese Diskrepanz und ist bestrebt, einen Beitrag zur Besserung der Situation von Pflegekräften in ganz Deutschland zu leisten. Auf der Startseite findest du unseren Ansatz, wie wir weiterhelfen wollen.